Zuerst entwickelt sich ein kleiner Sturm im Kopf, der ein, zwei Erinnerungen wegfegt.
Aber ein paar Sachen zu vergessen, das ist normal. Das passiert uns andauernd und hat mit Demenz nichts zu tun.
Wann ist es eine Demenz?
Erst wenn ein Orkan im Kopf wütet und dieser Orkan eine Erinnerung nach der anderen, unsere Fähigkeiten, unser Wissen für immer weggefegt hat, wenn all diese Verluste unsere Identität verschütten, erst dann sprechen wir von Demenz.
Alltag
Die Frage die sich einem stellt: «Wie lässt es sich leben mit einem verwirrten Kopf und einem Herzen voller Gefühle?» Wie gestaltet man einen Alltag der nicht alltäglich ist?
«Wie findet man sich zurecht? Was passiert mit einem?» Das sind Fragen die sich Menschen mit Demenz stellen. Der Verstand bleibt eine Weile erhalten. Der Betroffene hat Angst, weil er nicht weiss, was mit ihm passiert und was ihn erwartet.
Ein Mann, der vor kurzem die Diagnose Demenz gestellt bekommen hat, fragte mich:
«Wenn ich Wörter vergesse und mit der Zeit gar nicht mehr sprechen kann, wie verständige ich mich dann? Ist das so als würde ich im Ausland leben?» «Aber ich kann ja eine Fremdsprache gar nicht mehr erlernen. Wie lange kann ich noch Apfelsine oder Pampelmuse sagen? Verlange ich dann irgendwann eine Pampelsine im Niemandsland? Wer soll mich dann noch verstehen?»
Ich hätte ihm gerne gesagt, dass wir irgendwann alle nur noch mit dem Herzen sprechen und die Worte an Bedeutung verlieren. Stattdessen habe ich nur verständnisvoll genickt und seine Hand gehalten. Er hat meine Geste als Antwort akzeptiert.
In ihrer Welt ist ein verkehrt herum angezogener Pullover in Ordnung
Der Alltag eines Menschen mit Demenz unterscheidet sich im Grundsatz nicht von unserem. Wir wachen morgens auf, manche von uns sind Frühaufsteher, manche Morgenmuffel, wir starten in den Tag, wir ziehen uns an, trinken Kaffee oder Tee, frühstücken und die Welt wartet auf uns. Wir gehen einkaufen, kochen Essen für die ganze Familie, räumen Geschirr ab, fegen den Boden, empfangen Besuch, arbeiten im Garten, gehen spazieren, schauen Fern, gehen ins Bett... All das und so Vieles mehr gehört zu unserem Alltag. Wir gestalten ihn nach unseren Wünschen und Bedürfnissen. Und das macht ein Mensch mit Demenz auch. Seine Wünsche bleiben ihm erhalten, nur die ausgeführten Handlungen um diese Wünsche zu erfüllen sind manchmal ein wenig anders. Wenn ein Schuh im Kühlschrank seine Berechtigung hat, dann ist auch ein verkehrt herum angezogener Pullover völlig in Ordnung.
Niemandsland
Während wir bei der GAG die Handlungen von Menschen mit Demenz beobachten, fragen wir uns nicht was richtig oder falsch ist, sondern ob sie sich selber oder andere gefährden können. Und sobald wir diese Frage mit «Nein» beantworten können, dürfen sie einfach sein wie sie sind und machen was sie wollen. Wir steuern sie diskret aus dem Hintergrund, erspüren ihre Wünsche, so als würden wir Schmetterlinge fangen (wie Ute Vrecko, Fachfrau Aktivierung einmal sagte) und helfen ihnen den Alltag zu gestalten. Wir müssen keine neue Welt erfinden, nur dafür sorgen, dass wir «Pampelsine» verstehen und sie ihre Welt niemals als Niemandsland empfinden.
Haben auch Sie Erlebnisse die Sie gerne mit uns teilen möchten? Haben Sie Fragen zu unserem Betreuungskonzept? Möchten Sie uns ein Feedback geben?
Wir lesen gerne von Ihnen!