Lassen Sie uns «gefühlisch» sprechen
Mit dem Herzen sprechen (GAG)
Simona Caratus
09. Dezember 2019
Was macht einen Menschen aus? Ist es sein Gedankengut, seine Fähigkeiten und Kompetenzen, oder die Art wir er mit seinen Mitmenschen umgeht? Ist es nicht all das und vieles andere mehr, das uns als Individuum definiert?

Wenn der Herbst im Kopf wütet
Vergleichen wir das Menschsein mit den Jahreszeiten, so könnten wir dies wie folgt beschreiben: Im Frühling, als junge Menschen sprühen wir nur so vor Begeisterung und neuer Ideen, das Leben ist laut und bunt. Im Sommer dann, wenn wir langsam heranreifen, festigen sich die Ideen, wir gehen unseren eigenen Weg, bis der Herbst unsere Blätter verfärbt und der Winter uns allmählich das Ende näher bringt.
Wenn ich all das, was mich ausmacht, mit einer Baumkrone vergleiche und mir vorstelle, dass ich heute ein Blatt verliere, das den Namen meiner besten Freundin trägt und morgen das Blatt welches für das Lesen und Verstehen zuständig ist? Was wird dann aus mir? Wenn ich mir vorstelle, dass ich mich eines Tages nicht mehr im Spiegel erkenne oder die Fähigkeit das Essen an den Mund zu führen verliere, dann löse ich mich auf. Dann wütet ein strenger Herbststurm in meinem Kopf, der all meine Fähigkeiten wie Blätter im Wind mit sich fortträgt.

Wann ist ein Baum ein Baum und ein Mensch ein Mensch?
Schleichend aber sicher verliere ich meine prachtvolle Krone und zurück bleibt der Stamm, leere Äste und ab und zu ein einsames Blatt im Wind. Ist das wirklich so? Besteht ein Mensch nur aus seiner Krone? Nur aus seinen Gedanken und Fähigkeiten, nur aus dem was bunt und sichtbar ist? Was ist mit dem kräftigen Stamm, wo die Gefühle aufbewahrt sind? Die verborgenen, von Erfahrungen geprägten Äste, die noch ein paar hartnäckige Blätter tragen. Würde uns einfallen ein Baum ohne Krone nicht mehr als Baum zu bezeichnen? Mit Sicherheit nicht.
Ein Mensch der bestimmte Fähigkeiten verliert ist immer noch ein Mensch, einfach einer der zurück zu seinen Wurzeln kehren muss, weil er nicht mehr so einfach den Alltag meistern kann.

Mit dem Herzen sprechen
Ein Mensch mit Demenz hat noch Ressourcen, seine Antriebe, die bei ihm immer noch Handlungen auslösen, seine Gefühle die er uns geradeaus mit jeder Geste zeigt. Ein Mensch mit Demenz steckt voller Überraschungen und Fähigkeiten, er ist authentisch, ehrlich und spürt seine Umwelt mit seinen Ur-Sinnen, die uns verborgen sind. Wir bedauern ihn, weil wir uns auf seine Defizite konzentrieren und seine verborgenen Fähigkeiten nicht erkennen. Zugegeben, es ist auch nicht leicht mit Demenz zu leben oder für Menschen die wir lieben da zu sein die an Demenz erkrankt sind, besonders weil wir den Kontakt zu ihnen verlieren und die Angst uns blind und hilflos macht. Versuchen Sie einmal mit dem Herzen zu sprechen, schauen sie der Person gegenüber offen in die Augen und sehen Sie sie an, als wären sie mit einer prachtvollen «Baumkrone» ausgestattet. Lächeln sie zurück, wenn Sie angelächelt werden, antworten Sie wenn sie gefragt werden, auch wenn die Frage für Sie keinen Sinn ergibt. Lassen Sie zu, dass die geliebte Person den Pullover links herum anzieht.

Haben Sie den Mut «Ja» zu seiner Normalität zu sagen, begegnen Sie ihren Liebsten auf Augenhöhe, lassen Sie sich in ihrer Welt herumkutschieren, anstatt zu versuchen sie mit unserer Normalität zu konfrontieren. Lassen Sie sich auf diesen Versuch ein, sprechen Sie mit unserem Pflegepersonal, damit wir Sie bei den ersten Schritten auf der Brücke die zu ihrer geliebten Person führt, begleiten können, Ihnen helfen können die ersten Wörter in der neuen Sprache zu lernen. Lassen Sie uns «gefühlisch» sprechen!

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